Bedenkenträger
Immer wieder ertappe ich mich dabei ein Bedenkenträger zu sein. Obwohl ich in meinem Leben schon manches Risiko eingegangen bin und auch das Abenteuer liebe spüre ich, wie ich intuitiv schnell Bedenken habe oder auf Probleme fixiert bin. Darum habe ich hier einen kurzen Text zum Thema Bedenkenträger geschrieben, der diese Haltung ein wenig näher betrachtet:
Angst im Bauch ist manchmal ein wichtiger Indikator dafür, dass etwas nicht stimmt.
Aber oftmals ist eine undefinierte Angst auch eine unnötige Last und ein heimlicher Stressfaktor.
Konkrete Ängste haben den positiven Effekt, dass man etwas verändern, Vorsorge treffen, einer Gefahr entgehen oder eine Lösung für ein Problem finden kann.
Unkonkrete Ängste sind hingegen eine seelische Dauerbelastung, die keinen konkreten Nutzen für die Zukunft bieten, aber gleichzeitig die Gegenwart schwer belasten, Leichtigkeit rauben, das Gedankenkarussell anfeuern und die Bedenken auftürmen.
Charakterlich gesehen gibt es Menschen, die eher Bedenkenträger sind. Im Blick auf die Zukunft, im Blick auf nächste Schritte, im Blick auf Veränderungen oder Neuerungen kommen ihnen ganz schnell Bedenken in den Sinn. Sie haben eine hohe Wahrnehmung für mögliche Probleme, neigen zum Pessimismus und verweigern sich einer oberflächlichen oder allzu begeisterten Sichtweise der Dinge.
Sie empfinden einen inneren Antreiber, die Dinge möglichst ausgewogen und realistisch zu sehen. Sie fühlen sich unredlich, ihre Bedenken nicht zu reflektieren oder zu äußern. Durch das ständige Mitbedenken aller möglichen (und unmöglichen) Faktoren wird ihre Entscheidungsfähigkeit deutlich beeinträchtigt. Wo andere schon lange entschieden haben, findet der Bedenkenträger immer noch einen Faktor, der nicht bedacht wurde. Gleichzeitig ist die Entscheidung so schwierig, weil man unterschwellig oder unbewusst immer die Angst hat, irgendeinen Faktor nun doch übersehen zu haben nachdem man die Entscheidung getroffen hat. Fällt einem solch ein unbedachter Faktor ein, wird dadurch die gesamte Entscheidung infrage gestellt und oftmals innerlich bereut oder sogar rückgängig gemacht.
Es macht auf alle Fälle Sinn, wenn sich ein Bedenkenträger überlegt, welche eigentliche Angst ganz tief zugrunde liegt. Die vielen Faktoren, die man bedenken möchte sind oft nur Symptome einer weit tieferliegenden Angst. Diese Angst könnte zum Beispiel sein
- als Versager dazustehen (Anerkennungsproblematik, Minderwertigkeit)
- die Lebensbedürfnisse nicht gesichert zu haben (klassische Angst der Kriegsgeneration)
- im Unrecht oder angreifbar zu sein
Bedenkenträger lieben den Umgang mit Menschen, die eine Leichtigkeit und Unbeschwertheit ausstrahlen. Man hat ein ambivalentes Verhältnis zu ihnen: einerseits bewundert man ihre Leichtigkeit und ihren unbeschwerten Blick aufs Leben, gleichzeitig ärgert man sich immer wieder über ihre Naivität oder scheinbare Leichtsinnigkeit.
Die große Gefahr ist, dass im Zusammenleben von Bedenkenträgern und Menschen mit Leichtigkeit diese im Lauf der Zeit ihre Leichtigkeit verlieren und immer mehr angesteckt werden von den Bedenken und Sorgen. Man entlarvt sie ständig ihrer Naivität und versucht ihnen zu erklären, dass das Leben doch nicht so einfach ist. So vergiftet man im schlechtesten Fall den anderen mit den eigenen Ängsten, Sorgen und Bedenken und das Gegenüber verliert Stück für Stück seine ihm so eigene Leichtigkeit, die am Anfang gerade die Sympathie und Anziehungskraft ausgemacht haben.
Das beste Rezept für einen Bedenkenträger ist daher:
- genieße die Leichtigkeit und Unbeschwertheit des anderen und versuche nicht dauernd diese zu korrigieren oder zu relativieren
- sage dir immer wieder den magischen Satz: es ist alles halb so schlimm, wie ich es empfinde.
- Über dich in tiefem Gottvertrauen